Jagen in Wisconsin ist so ziemlich wie das Surfen auf
Hawaii, wie das Wandern in den Alpen oder das Tauchen in Ägypten - es ist
einmalig, außergewöhnlich, unbeschreiblich, eine Erfahrung fürs Leben - es ist einfach
wunderschön!
Wisconsin ist halb so groß wie Deutschland, aber wir
haben nur 5.536.000 Menschen. An dieser Tatsache kann man sich ausdenken, wie
viel freies Land es hier gibt. Jede Menge Wälder, Sumpf- und
Marschgebiete und natürlich die unzähligen Farmen, für die Wisconsin so berühmt
ist. Jagen kann man hier so gut wie alles, von Eichhörnchen, Hasen, Füchsen
und Truthähnen hin, bis zu Rehen, Hirschen und in nördlichen Gebieten sogar
Bären.
Die verschiedenen Saisons sind übers Jahr verteilt. Die
Entensaison ist gerade zu Ende gegangen und die Hirschjagd hat begonnen. Im
Winter gibt es Eis-Fischen und im Frühjahr Truthähne.
Die Königsdisziplin oder das beliebteste ist das
Hirsche jagen mit dem Gewehr. Nur eine Woche im Jahr erlaubt. Immer in der
Thanksgiving Woche (Thanksgiving ist immer am dritten Donnerstag im November).
Vorher kann man, und ich bin mir nicht sicher ob nachher auch, Rehe und Hirsche
nur mit Pfeil und Bogen jagen. Das ist extrem zeitaufwendig und um ein Vielfaches schwieriger als mit einem Gewehr.
Mein Gastvater hat in seiner Jugend und im frühen
erwachsenen Leben viel gejagt, aber mit der Familie und dem Job heutzutage ist
das schwer. So geht es vielen Amerikanern, aber normalerweise können
Jugendliche mit 16 (ich bin mir auch hier nicht ganz sicher) selbst nach der
Schule, an den Wochenenden und in den Ferien auf die Jagt gehen. Man braucht
eine Waffe und einen Hunters Safety Kurs - hier lernt man wie man eine Waffe
vernünftig händelt und die ganzen Gesetze rund ums Jagen.
Ich habe eine Mentor Licence, der Unterschied ist ich
habe keine eigene Waffe, keinen Kurs und kann nur mit einem Erwachsenen eine
Armlänge entfernt ist, jagen. Und wir (meine Gastmutter und ich heute) dürfen nur
eine Waffe für 2 Leute haben.
Heute (Samstag) ist der Eröffnungstag der einwöchigen
Hirschjagt. Das ganze ist so populär, dass man in der Schule Formulare
ausfüllen kann um mit seiner Familie jagen zu gehen. So verpasst man nur 2 Tage
Schule, weil Mittwoch, Donnerstag und Freitag sowieso keine Schule wegen
Thanksgiving ist.
Wir (meine Gasteltern und ich, meine Gastschwester geht
nicht jagen und meine Gastbruder hatte dieses Jahr keine Lust) sind um
4:30 am Morgen aufgestanden, haben uns warm und orange angezogen und sind um
5:30 mit dem Auto zum übernächsten Ort nördlich gefahren. Burnett ->
der Ort wo mein Gastvater aufgewachsen ist und wo wir zur Kirche gehen. Man
kann auf privatem Gelände oder auf öffentlichen Gelände jagen, die Gesetze sind
die gleichen der Unterschied ist nur, auf privatem Gelände weiß man wer noch so
alles da ist. Mein Gastvater geht üblicherweise auf ein kleines Waldstück am
Ende des Geländes eines befreundeten Farmers und dieses Jahr sind wir alle
hier. Es gibt verschiedene Arten zu jagen. Die zwei von denen ich gehört habe sind die beliebtesten:
1) man sitzt in einem Schießstand oder einem Baum, in
einem Busch oder an einer Baumgruppe und wartet bis etwas vorbeikommt, das man
schießen kann.
Wenn man mit mehreren Leuten ist verteilt man sich, um
ein größeres Gebiet abzudecken.
2) man geht mit einer größeren Gruppe (6 oder mehr). 5
Leute gehen durch einen Wald, schrecken die Hirsche auf und versuchen sie im
Lauf zu erwischen -> extrem schwer, man muss schnell sein. Zur Absicherung
seht der 6. Mann am Ende des zu durchkämmenden Stückes und versucht die rennenden Tiere im Lauf von vorne zu erwischen.
Don'S Freund hat einen 6 Pointer geschossen (junges Tier ca 1 1/2 Jahre alt) zartes Fleisch |
Wir jagen nach Methode 1. Die Gesetzte zum Jagen sind
scharf, aber das müssen sie auch. Man darf nur bei Tageslicht schießen, also
zwischen 6 Uhr am Morgen und 4:30 am Nachmittag, vorher und
nachher ist es illegal eine geladenen Waffe mit sich zu haben. Die Strafen für
das Brechen eines Gesetzes sind hoch. Lebenslanges Jagdverbot, lebenslanges Verbot des Besitzen einer Waffe, Geld und sogar Gefängnis -> zu hoch
für einen dummen Fehler oder eine Unachtsamkeit deswegen passen ALLE höllisch
auf!
Wir
sind im Dunklen raus und haben uns einen schönen Fleck am Ende einer Baumreihe
gesucht. Das hohe Gras und die Bäume hinter uns, von denen einige abgestorben
sind, bieten eine gute Deckung. Es ist Gesetz, dass min. 50% der Kleidung am
Körper die Farbe Orange hat. So kann man besser von anderen gesehen werden um
Unfällen vorzubeugen und Rehe und Hirsche können ohnehin keine Farben sehen.
Wir haben uns im Dunklen eine Platz gesucht um die Waffe um Punkt 6 zu laden
und sofort bereit zu sein. Und außerdem scheuchen Leute die später als 6
Uhr kommen Rehe und Hirsche auf - bessere Chancen! Die besten
Gelegenheiten einen Hirsch oder ein Reh zu sehe und zu erlegen sind am Morgen
und am Abend. Den ganzen Tag über bewegen sich die Viecher meistens nicht und
wenn dann nur in sehr großen und langsamen Kreisen von 3 Stunden und mehr.
Es gibt zwar viele Tiere hier, aber die Garantie etwas
zu sehen oder zu töten hat man nie. Deshalb heißt es jagen und nicht töten!
Es ist einfach klasse, und jeder der schon mal einen
Sonnenaufgang auf einem Berg oder an der Küste mit erlebt hat weiß annähernd
was ich versuche zu beschreiben: Es war extrem nebelig als wir raus sind und so
konnten wir gleich 2 Naturschauspiele mit erleben. Es wird heller, die Luft
wärmt sich auf und die ersten Nebelschwaden verschwinden. Dann bricht ein
erster Sonnenstahl durch die Dächer der Baumkronen um uns herum. Die Vögel
fangen an zu zwitschern und ein erster frische Windhauch weht durch die ca.1,5
bis 1,8 m hohen Gräser. Ein geladenes Gewehr auf dem Schoß zu haben, die Natur
zu genießen und mit ihr gemeinsam in den Tag zu starten. Und das trifft es
nicht mal annähernd!
Um ca. 10 min nach 6 haben wir die ersten Schüsse
gehört. Manche weiter weg, andere etwas näher (ich spreche immer noch gut von
500 m). Es ist wie ein ziemlich langsames Feuerwerk, das man nur hört und nicht
sehen kann. Das ging ca. 1 Stunde so alle 2 bis 10 min, ein Knall oder
mehrere in einer Reihe (wenn man schießt, sofort nachladen, damit man noch mal
abdrücken kann).
Den ganzen Tag über ist nicht viel passiert. Ich hab
ein Nickerchen gehalten und gegen Mittag sind wir zurück zum Bauernhof auf dem
Gelände gegangen um den Hirsch zu sehen den der Sohn des Farmers geschossen
hat.
Mein Gastvater war auf der anderen Seite des gut 1 km
breiten Feldes. Wir haben sms's geschickt um nachzufragen ob alles in Ordnung
ist und ob die Schüsse aus seiner Richtung von ihm waren - waren sie nicht.
Jetzt würde man denken den ganzen Tag draußen sitzen
ist irgendwie langweilig, aber dem ist nicht so, die Natur um einen herum lebt
und atmet in vollen Zügen. Es ist wie ein Tag am Strand, man macht eigentlich
nichts, aber langweilen tut man sich auch nicht.
Den ganzen Tag über lag die Spannung zum Greifen in der
Luft. Meine Gastmutter und ich haben nichts gesehen, mein Gastvater hat ein
Weibchen gesehen. Morgen gehen wir in den Schießstand meines Gastvaters, um bessere Chancen zu haben.
****!!!!Teil 2 morgen (Montag deutscher Zeit)!!!!****
Das klingt nach einem aufregenden Tag an der frischen Luft. Ich freu mich schon auf den Teil 2 und Waidmanns Heil
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